Ein Lehrlingsstück mit Standing Ovations

Dienstag, 24. Januar 2017

Landestheater Linz Lehrlinge zeigen eigenen Eltern ihren Arbeitsplatz



Eine Führung durch das Musiktheater am Volksgarten ist per se nicht ungewöhnlich. Tagtäglich werden Interessierte durch das moderne Theatergebäude geführt und hinter die Kulissen „entführt.“ Bei den am 5. Jänner 2017 versammelten 45 Leuten ist allerdings etwas anders ... Einige der jüngeren tragen Polo-Shirts mit dem Theater-Logo und schwere Arbeitsschuhe, andere wiederum sind in Cocktailkleid und Stöckelschuhen gekleidet. Die Lehrlinge des Landestheaters zeigten ihren Eltern ihre Arbeits- und Ausbildungsstätte. Die Aufregung ist ihnen anzumerken, freudige Spannung liegt in der Luft.



Ausgezeichnet. Vor etwa drei Jahren wurde am Landestheater Linz eine Lehrlingsoffensive gestartet. Als führender Kulturbetrieb und als einer der größeren Arbeitgeber Oberösterreichs nimmt es damit seine soziale Verantwortung auch als Lehrbetrieb wahr. Die fabelhafte Ausbildung wurde bereits mit dem INEO Gütesiegel der Wirtschaftskammer ausgezeichnet. Derzeit gibt es 14 Lehrlinge in 9 Lehrberufen.


Vorhang auf! „Hier wird alles gebaut, was im Bühnenbild leuchten soll“, erzählt Elena, und ihr Blick schweift über allerlei Kabel, Gehäuse und Werkzeug. Im Zuge ihrer Lehre zur Veranstaltungstechnikerin (VA-Technik) ist sie gerade in der Elektrowerkstatt eingeteilt. Das bedeutet löten, Steuerungen austüfteln, Kabel verbauen. „Gesteuert wird das dann alles von den Lichttechnikern“, gibt Elena an Alexander weiter. Er befindet sich im dritten Lehrjahr der VA-Technik und durchläuft gerade die Station „Beleuchtung“. Im Lehrlingsraum zeigt er seinen Eltern und den anderen Besucher, wie Beleuchtungsprogramme in den Computer eingespeichert werden. „Hier lernen wir, mit den Scheinwerfern umzugehen“, er deutet auf die Beleuchtungskörper, die über ihm hängen.


Ton, Licht, Requisite und Schneiderei. Vom Übungsraum geht es in den Großen Saal, wo Tamara bereits in der Tonloge wartet. „Das sind die Microports unserer Musicaldarsteller“, sie reicht ein kleines Mikrofon in die Runde. „Am Abend der Vorstellung bereiten wir die Mikros vor und die Maske klebt sie dann an“, weiß der VA-Lehrling im dritten Jahr. Technisches Verständnis und Interesse ist auch im nächsten Lehrberuf erforderlich, in der Requisite. Hier ist VA-Lehrling Benjamin eingeteilt, er ist im ersten Lehrjahr. „Wir sind hier für alles zuständig, was die Darsteller auf der Bühne brauchen.“ „Vom Schwert bis zur E-Zigarette“, fügt er schmunzelnd hinzu. So muss die Abteilung Requisite auch Essen kaufen und zubereiten, sollte das so im „Drehbuch“ stehen. „Und wenn ein Theaterdolch kaputt ist, müssen wir ihn reparieren“, er hält zwei Teile eines Messers in die Höhe und zuckt mit den Schultern. 
In der Nähe der Requisitenkammer befindet sich eines von mehreren Beleuchtungslagern. „Das hier ist das größte Lager der Abteilung Licht“, erklärt Lehrling Lorena. Vom so genannten „Ballettgestell“ bis zu richtig großen Scheinwerfern ist hier alles vorhanden. Sie führt die Gruppe hinaus auf die Hinterbühne, deutet auf die Obermaschinerie und verweist auf die vielen Lichtquellen. „Auch der Lichtring an der Decke des Großen Saales kann in Produktionen zum Einsatz kommen.“ 
Dass die Sänger, Tänzer und Schauspieler auch das Richtige anhaben, wenn das Licht angeht, dafür sorgt primär die Damen- und Herrenschneiderei. Sophie ist im zweiten Lehrjahr in der Damenschneiderei und zwischen Stoffballen und Nähmaschinen sichtlich in ihrem Element. „Diesen Rock habe ich genäht“, zeigt sie das buntgemusterte Kleidungsstück, das einer Schneiderpuppe angezogen wurde. Was die Ausbildung am Theater von anderen Schneidereien unterscheidet, ist, dass „wir hier mit so tollen Stoffen und Materialien arbeiten, die in der Privatwirtschaft nie zum Einsatz kommen“. „Kein Tag ist hier wie der andere – das macht es so besonders und kreativ.“


Einkauf, Schlosserei und Gebäudetechnik. Neben den klassischen „Hinter den Kulissen“-Berufen am Theater gibt es auch jene, die nicht unmittelbar Bühnenlicht abbekommen. „Im Einkauf sind wir dafür zuständig, den Materialbedarf für die Werkstätten von Tischlerei bis Schneiderei zu bestellen.“ Magdalena, die im September ihre Lehre als Bürokauffrau gestartet hat, zeigt detaillierte Formulare, die sie bei den Bestellungen auszufüllen hat. Zu ihren Tätigkeiten gehört auch die Marktrecherche um den besten Anbieter zu evaluieren. Interessiert hören ihre Eltern, ihre Lehrlingskollegen und deren Familien zu. „Spannend wird es, wenn es zum Beispiel im Bruckner Orchester bei einem Instrument einen Schadensfall gibt. Um die Abwicklung der Reparatur müssen wir uns kümmern“, beschreibt die junge, engagierte Frau ihren abwechslungsreichen Alltag und schließt mit einem breiten Lächeln in Richtung ihrer Eltern: „Es ist einfach voll cool!“


An der nordöstlichen Seite des Gebäudekomplexes befinden sich die Werkstätten. Lukas ist Schlosserlehrling im ersten Jahr und ein „Premierenkind“, denn vor ihm wurde hier noch niemand ausgebildet. Er führt seine Eltern und die anderen unter ein großes Metallgestell und rüttelt sanft daran. „Alles, was im Bühnenbild aus Metall ist, fertigen wir hier an.“ Flexen, schweißen, feilen. „Als Zuschauer sieht man von unserer Arbeit eigentlich nichts, weil sie meistens von Tischlern und Kascheuren zugedeckt wird.“ Aus der Gruppe kommt die Frage, ob das nicht ein eher undankbarer Job sei. „Nein, ganz im Gegenteil. Wir müssen sehr genau arbeiten, die Gerüste dürfen kein Gewicht haben, müssen leicht ab- und aufzubauen sein und dennoch Mensch und Dekoration aushalten“, fasst er zusammen.

Im „unsichtbaren“ Bereich befindet sich auch Manueles Ausbildungsstätte. Der junge Italiener mit österreichischen Wurzeln lernt sein Handwerk als Anlagen- und Betriebstechniker in der Gebäudetechnik. „Steuern und Überwachen“, das seien die Schlüsselaufgaben. Und das beinhaltet Zutrittssysteme, die Lichtsteuerung im ganzen Haus, das Sicherheitsmanagement. „Wir warten die Anlagen und prüfen ihren Zustand“, so Manuele.

Nach der gemeinsamen Führung folgt ein Besuch der Oper Falstaff. Und eines ist klar, die Lehrlings-Eltern werden in dieser Vorstellung wohl mit absolut geschärften Sinnen noch viel mehr aufnehmen, als ein „normaler“ Zuseher das je könnte.