„Belcanto ist für mich der Gipfel der Gesangskunst“

Donnerstag, 23. April 2015


Diana Damrau im Interview

Die Sopranistin Diana Damrau hat als Sängerin alles erreicht, was man als Sängerin erreichen kann. Mehrfach hat Diana Damrau einen ECHO-Klassik gewonnen. Die Zeitschrift Opernwelt ernannte sie 2008 zur Opern­sängerin des Jahres. 2014 wurde sie von den International Opera Awards als beste Sängerin geehrt. Von der Presse wird sie als „Weltbeste Koloratursopranistin“ und „Kultfigur unserer Zeit“ gefeiert. Alle sind von ihrem überragenden Gesang gleichermaßen beeindruckt. Aber auch ihr unprätentiöser und herzlicher Charakter macht sie zum Liebling aller Bühnenkollegen. Soeben ist ihre neue CD mit einem Belcanto-Programm erschienen, das sie am 14. Juni gemeinsam mit dem Bassbariton Nicolas Testé und dem Bruckner Orchester Linz unter der Leitung von David Giménez Carreras in einem Galakonzert im Musik­theater präsentieren wird. Im Gespräch mit Philip Brunnader verrät der sympathische Opernstar, wie sie Weltkarriere und Fami­lienleben unter einen Hut bringt.

Waren Sie schon in Linz bzw. kennen Sie das neue Musiktheater?
Ja, in Linz war ich schon öfter. Gesungen habe ich in Linz allerdings noch nicht. Ich habe in einer Fernsehsendung mit der wunderbaren Moderatorin Barbara Rett mitgemacht. (Anmerkung: 2013 war Diana Damrau im KulturWerk zu Gast). Das neue Musiktheater habe ich bis jetzt nur von außen gesehen. Ich bin schon sehr gespannt. Damals, als ich meine Vorsingtournee für mein allererstes Engagement gemacht habe, habe ich auch in Linz vorgesungen. Hat aber leider nicht geklappt. Linz ist eine schöne Stadt – da wäre ich gerne geblieben.

Frau Damrau, Sie sind auf den Bühnen dieser Welt zuhause – singen regelmäßig an der Met in New York, an der Bayerischen Staatsoper, an der Mailänder Scala, am Opernhaus in Zürich, am Festspielhaus Baden-Baden, am Covent Garden in London und am Theater an der Wien sowie bei den Salzburger Festspielen. Am 14. Juni werden Sie mit einem Belcanto-Programm im Linzer Musiktheater auftreten – dem modernsten Opernhaus Europas. Ist es ein besonderer Anreiz, an einem neuen Haus aufzutreten?
Natürlich ist das ein großer Anreiz, auch einmal in Linz aufzutreten. Denn, von Salzburg bis Kremsmünster (Liederabende mit Helmut Deutsch) und in Wien habe ich ja schon gesungen. Es macht jetzt große Freude, mit diesem Belcanto-Abend nach Linz zu kommen – auf dem Programm steht die große italienische Oper von Belcanto bis zu Verdi. Da gibt es einfach Melodien, Leidenschaft und große Gefühle. Das gefällt glaube ich allen Menschen. Wir haben ein wunderschönes Programm zusammengestellt, natürlich auch in Zusammenhang mit unserer CD, die auf dem Markt ist, wo Belcanto-Stücke zu finden sind – dem Ziergesang, wie man so schön sagt, der den gesamten Stimmumfang umfasst und alle Schwierigkeiten und Spielarten der Stimme beinhaltet – bis hin zum großen Verdi, wo man auch mit dem dickeren Pinsel malen darf und sich einfach den großen Melodien und Gefühlen hingeben kann. Meine Liebe zur Oper hat mit Verdis La Traviata begonnen und die Violetta ist eine Rolle, die ich im Moment sehr viel singe und die auf dieser CD natürlich nicht fehlen durfte. Es war der Wunsch meiner Plattenfirma, eine Belcanto-CD zu machen, und da dachte ich mir eigentlich ist die Violetta die erste, die der Belcanto-Tradition entspringt. Mit dem Belcanto als Ausgangspunkt und dann der Ausstrahlung bis zu Verdi, Leoncavallo und sogar Puccini, haben wir eine CD mit wunderschönen Arien aufgenommen. Denn was ich wollte, sind Arien, die man durchhören kann. Die meisten großen Belcanto-Arien sind ja doch von einer größeren Länge. Deswegen wollte ich auch etwas kürzere Arien mit hinein nehmen – damit die CD ausgewogen bleibt. Ich wollte auch nicht nur gängige Gassenhauer, sondern auch Stücke, die nicht so bekannt, aber ganz wunderbar sind. Insofern ist es ein sehr ausgewogenes Programm und eben nicht nur eine Aufeinanderfolge von altbekannten Melodien, von denen jeder schon 50 Aufnahmen im Schrank hat, sondern auch etwas Interessantes mit Ausblick, aber auch Lieblingsstücke von mir.

Ihre internationale Karriere begannen sie als ­Königin der Nacht und gastierten weltweit. Wie sind Sie zum Gesang gekommen? Und wann wussten Sie, dass sie Sängerin werden wollen?
Zum Gesang bin ich gekommen, als ich zwölf war. Gesungen, geschauspielert und getanzt habe ich immer schon – was eben junge Mädchen meistens so machen. Ich bin auch in den Kirchenchor gegangen, wo ich kleine Solos gesungen habe. Es war eine ganz normale musikalische Entwicklung – aber man hat schon gemerkt, da ist Talent da. Was dann jedoch den Ausschlag für die Oper gegeben hat, war, dass ich mit 12 Jahren im Fernsehen den ­Traviata-Film von Franco Zeffirelli mit ­Plácido Domingo gesehen habe. Danach war ich in Tränen aufgelöst und hab zu mir gesagt: Das ist das Schönste, was Menschen machen können – diese irrsinnigen Geschichten erzählen, diese Dramen, die tief berühren, und das mit Musik. Und das dann noch mit der menschlichen Stimme, dem Schauspiel dazu, die gesamte Ausstattung, die Zeit in der diese Stücke spielen. Es ist auch ein Stück Geschichte eben – Kulturgeschichte, Zeitgeschichte. Dieses Gesamtkunstwerk hat mich einfach vollkommen umgehauen. Und dann eben das Singen – die menschliche Stimme – ohne Mikrofon – ohne irgendwelche technischen Hilfsmittel oder Verfälschungen. Dies eins zu eins aus dem menschlichen Körper rausholen zu können, das hat mich fasziniert. Und dann dachte ich mir, das möchte ich so gerne lernen.

Zurück zu ihrem neuen Album Fiamma del Belcanto (Flamme des Belcanto): auf dieser CD ­haben Sie Ihre persönlichen Lieblingswerke der italienischen Oper zusammengestellt, die Sie zum Großteil auch in Linz präsentieren werden. Was ist für Sie das Faszinierende am Belcanto?
Im Belcanto haben die Komponisten, nehmen wir Donizetti als Hauptbeispiel, bei den wirklich großen Primadonnen-Opern immer einen Moment kreiert, wo es zur absoluten Höchstspannung und zu Extremsituationen kommt, die dann eine Entladung, eine Aus­uferung der Gefühle zur Folge haben. Dadurch kann man für die Stimme schreiben, was man möchte. Man geht in die Extreme – so entstehen Wahnsinnsszenen, in denen man mit der menschlichen Stimme einfach Dinge machen kann, die in normalen Arien nicht möglich sind. Natürlich waren diese Opern Vehikel für die großen Virtuosinnen und Virtuosen ihrer Zeit – und die haben dann auch ihrem Instrument entsprechend immer dann Kadenzen und Verzierungen einbauen dürfen und eingebaut. Und genau das ist unglaublich spannend. Solche Stücke kann man mit ganz verschiedenen Sängern hören und immer wieder anders. Jeder beleuchtet die Rolle oder den Moment ein bisschen von einer anderen Warte aus – seinem Instrument und seiner Künstlerschaft entsprechend. Das finde ich schön am Belcanto. Und dann natürlich eine Wahnsinnsszene zu spielen – da ist man auch schauspielerisch gefordert. Da darf man ganz schön loslegen, und das genieße ich. Und natürlich diese unglaublich schönen Melodien. 

Im Zusammenhang mit Ihrer neuen CD haben sie gesagt „Belcanto ist stimmlicher Hochleistungssport“. Was kann man darunter verstehen und wie halten Sie sich in Form?
Wie ein Sportler. Das heißt, ich kann nicht jeden Tag einen Marathon laufen. Ich muss meinem Körper Ruhe gönnen und ihn auch, wie auf einen Wettbewerb, vorbereiten. Wenn man eine Weile nicht gesungen hat oder an einem anderen Repertoire gearbeitet hat, muss man wieder die Flexibilität in den Körper bekommen und auch über genügend Kraft verfügen, um die dramatischen Momente singen zu können. Auch die dramatischen Bögen – wie die Koloraturen, die doch gestochen kommen müssen und nicht so breit gemalt werden können, wie beispielsweise bei Verdi. Ich muss mich einfach fit halten, mich darauf fokussieren und schauen, dass ich gesund bleibe. Denn mit einem halbkranken Instrument kann man diese Rollen einfach nicht singen, denn, ich sage immer: Belcanto ist für mich der Gipfel der Gesangskunst – und eben auch der Gesangstechnik. Alles wird der menschlichen Stimme abverlangt – diese extremen Tonlagen. Man muss mit jedem Ton in der Tonlage spielen können. Man muss ganz leise und ganz laut singen können und Übergänge ohne Brüche schaffen. Die Stimme muss von ganz oben bis ganz unten homogen klingen. Man muss auf seinem Instrument wie ein Virtuose spielen können. Ganz große Linien, aber eben auch mit Farben spielen, weil Koloraturen immer Ausdruck der Gefühle sind, die man dann je nach Situation anders einfärbt.

Sie sind mit einem Opernsänger verheiratet und haben zwei Kinder. Wie lässt sich ihr Jetset-Leben mit ihrem Privatleben vereinbaren?
Wir sind zu Großstadtnomaden geworden. Alle, die gesamte Familie. Wir schauen, dass wir als Familie alles gemeinsam machen – so gut es halt geht. Wir haben unsere Engagements auch so ausgerichtet, dass wir nicht unbedingt in gemeinsamen Produktionen singen müssen. Es ist sogar besser, in unterschiedlichen Produktionen zu singen, da man zeitlich anders aufgeteilt ist und nicht beide Elternteile eingespannt sind. Zum Beispiel hat mein Mann in München La Bohème gesungen und ich habe Lucia di Lammermoor gemacht. So wird das in Zukunft öfters stattfinden. Jetzt kommen wir gerade von einer Manon Lescaut-Produktion aus New York zurück, wo wir an der Metropolitan Opera gemeinsam aufgetreten sind. Also, es funktioniert. Und wir haben eine Nanny dabei, die fest mit uns lebt, mitfährt und alles mitmacht. Insofern ist immer noch eine stabile Person dabei, die die Kinder kennen. Denn bei uns ist doch jeder Tag in der Planung anders und nicht immer vorhersehbar.

Am Musiktheater wird Robert Wilson seine erste La Traviata inszenieren (Premiere am 19. September 2015). Sie gelten als eine der weltbesten Violettas und haben diese Rolle in unzähligen Inszenierungen verkörpert. Würde Sie eine Zusammenarbeit mit Wilson wieder reizen?
Ich habe mit Robert Wilson ein Konzert in Monaco für die Montblanc-Serie „Grace for Grace“ von Grace Kelly gemacht. Das war hochspannend. Wir haben mit Ausschnitten aus Massenets Manon Lescaut, über „Morgen“ aus Richard Strauss Vier letzte Lieder, bis hin zu Gounods Juliette-Walzer quasi einen Potpourri-Abend gemacht, der auch mit dem Leben von Grace Kelly zu tun hatte. Ich weiß nicht, ob ich meine Traviata in seiner Arbeit finden kann, weil ich doch jemand bin, der eher naturalistisch mit den Charakteren umgeht, oder umgehen möchte. Das ist mein Geschmack. Aber gegen eine Modern Dance-Version von Lucia di Lammermoor hätte ich nichts. Wilsons La Traviata hat aber ästhetisch sicher etwas sehr Schönes.

Was wird Ihr nächstes Rollendebüt?
Contessa (Le nozze di Figaro, Mozart) – erstmal konzertant in Baden-Baden. Das nächste szenische Rollendebüt wird dann Juliette (Romeo et Juliette, Gounod) sein, aber auch erst in eineinhalb Jahren. Das ist im Moment auch ganz gut so, denn so lange die Kinder klein sind, singe ich lieber das schöne Belcanto-Repertoire, das ich mir ganz gut erarbeitet habe, und habe ein bisserl weniger Stress.

DIANA DAMRAU MIT NEUER BELCANTO-CD

Die Sopranistin Diana Damrau beweist immer wieder, mit welcher emotionalen Intensität sie Opernpartien aufzuladen vermag. Nun legt die vielfache ECHO-Preisträgerin mit „Fiamma del Belcanto“ ein Album vor, das der Kunst des Belcanto und ihrer Ausläufer von ­Donizetti über Verdi bis Puccini gewidmet ist: ihren Lieblings-Momenten der italienischen Oper.

Am 14. Juni wird Diana Damrau zusammen mit dem  Bruckner Orchester Linz ein Belcanto-Programm mit Arien u. a. aus Opern von Verdi (La Traviata, Il Trovatore), Bellini (La Sonnambula, I Puritani) und ­Donizetti (Lucia di Lamermoor) im ­Großen Saal des Musiktheaters präsentieren.


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