Neues von den Jungkritiker_innen

Dienstag, 27. März 2012


Hier die neuesten Beiträge unserer JungkritikerInnen, wir wünschen viel Spaß beim Lesen.

Die Angst vor der Angst
Gespräche der Karmelitinnen am Landestheater Linz


Als sich der Vorhang hob, gab er eine Art Arena frei, die das Publikum auf den bevorstehenden spirituellen Kampf zwischen Angst und Erhabenheit vorbereitete. Die Oper, die auf der Novelle Die Letzte am Schafott von Gertrud von le Fort, basiert, stellt die Suche nach Spiritualität dar, aber auch die Angst vor der Angst und deren heldenhafte Überwindung sind in der Hauptfigur fest verankert.
Während der einzelnen Bilder, die Ausschnitte der Geschichte von Blanche, einer jungen Novizin des Ordens zeigten, waren häufig längere Pausen, bei denen der Vorhang heruntergelassen wurde und die Musik aus dem Orchestergraben verstarb, diese überbrückten einige mit E-Mails checken, SMS schreiben oder aufgeregtem Gemurmel. Das Prozedere wiederholte sich einige Male …Durch die Ablenkung ging das, anfangs starke, aber später abklingende Gänsehaut-Feeling verloren.
Die Angst, die eine wichtige Rolle spielt, wurde gut von Myung Joo Lee, als Blanche, vermittelt. Zeitweise schien sie von ihrer Angst erdrückt zu werden, aber am Ende besiegt sie den „Angsthasen“ in sich und wird erhaben über ihre enorme Angst.
Aber auch Karen Robertson, als herrische Madame de Croissy, und Elisabeth Breuer, als sympathische Soeur Constance de Saint-Denis brillierten in ihren Rollen.
Das Bühnenbild war sehr ungewöhnlich und nicht unbedingt angenehm fürs Publikum, da dieses „verblendet“ wurde mithilfe von Scheinwerfern, die direkt in die Menge gerichtet wurden und ein Zuschauen während diese eingeschaltet waren, kaum zuließen.
Das Publikum reagierte auf diese Oper mit einem teils verhaltenen, vereinzelt sogar recht begeisterten Applaus, doch in den, nach der Pause nur noch spärlich besetzten, oberen Rängen erschollen Buhrufe. 
Jackie Mc Nichol


Sexuelle Obsession anstelle von Liebe
Lulu in den Kammerspielen

Lulu ist Freundin, Geliebte, Ehefrau, Prostituierte und vor allem Missbrauchsopfer. In einer Männerdomäne wurde sie bereits im Kindesalter dazu dressiert, ihren Körper gleichgültig hinzugeben. Nun, als erwachsene, junge Dame, ist es Lulu gewöhnt, ihren Körper weiterhin zur Ausübung sexueller Fantasien und Zwecke herzugeben. Sei es an ihren angeblichen Vater Schigolch (gespielt von Vasilij Sotke), der sie an ihren späteren Ehemann Dr. Schöning (gespielt von Stefan Matousch) verkauft, oder schlussendlich an ihre Freier (u. a. Markus Subramani amüsiert als ein schweigender, unbeholfener Freier). Man kann sagen, mit beinahe jedem männlichen Charakter des Stückes geht Lulu eine „freiwillige“ oder unfreiwillige, sexuelle Beziehung ein.
Lulu ist fremdgesteuert, doch weiß sie mit ihren Reizen zu spielen. Katharina Vötter verkörpert diese kindliche, aufgeweckte und intrigante Lulu perfekt. Sie springt knapp bekleidet über die Bühne, lässt ihre Brüste wippen und macht ihre Beine breit, lacht, weint, verzweifelt und das alles so unbekümmert und glaubhaft. Katharina Vötter ist der aufgehende Stern am Landestheaterhimmel und verdient Tonnen über Tonnen Respekt für ihre Wahnsinnsleistungen.
Auch die anderen 18 DarstellerInnen zeigen ihr schauspielerisches Können bis der letzte Vorhang fällt. Alexandra Pitz hüllt die Bühne in Stoffkilometer mit den jeweils passenden Farben zu den Szenarien.
Da das Skandalstück in der Entstehungszeit zensiert wurde, wurde Frank Wedekinds entschärfte Fassung 1988 uraufgeführt und gilt bis heute als wahre Monstretragödie.
Lulu ist kein Stück für schwache Gemüter. Regisseur Gerhard Willert geht in die Materie und zeigt uns eine Welt, wo Moral kleingeschrieben wird. 
Marlene Hauser


Theaterflashmob am Hauptplatz

Nur mit der Information, dass am Dienstag 20. März am Hauptplatz ein Flashmob stattfindet, ließ ich mich am genannten Ort nieder und hatte noch keine Vorstellungen, was mich da erwarten würde.
Pünktlich um 15:30 versammelte sich dann plötzlich mitten am Hauptplatz, eine Gruppe von ca. 50 Jugendlichen. Gleich darauf formierte sich diese in zwei Teile und begann damit, sich in gleichartiger Weise tanzend zu bewegen. Die Leute rund um mich staunten auch nicht schlecht. Viele blieben stehen, manche schüttelten den Kopf und gingen verwirrt wieder weiter.
Zuerst hatte es den Anschein als würden sich die beiden Gruppen gegenseitig bekämpfen. Doch kurze Zeit später wurden die angedeuteten Schläge immer langsamer – zeitlupenmäßig – und gingen schließlich in gegenseitige Umarmungen über. Als Zeichen des entstanden Friedens, begannen die Gruppen wild zu tanzen und laut zu singen. Auf einmal ertönte ein Pfiff und das Spektakel fand sein Ende. Nun kam die Auflösung: Den ratlosen Zuschauern wurde erklärt, dass heute der Welttag des Theaters für junges Publikum ist.
So schnell wie die Menschen zusammengekommen sind, löste sich die Menge auch schon wieder auf und ließ eine Reihe Zuschauer – mich eingeschlossen – verdutzt zurück. 
Lena Lutz


Nicht das Geld – vielmehr die Liebe ist für das Überleben entscheidend
Darwins Erbe im u\hof:

Das Entstehen neuer Arten ist nach Charles Darwin das Ergebnis der Evolution. Doch wie erfolgt die „natürliche Auslese“ bei uns Menschen? Spielt heutzutage nur noch der Besitz von Geld und Reichtümern eine Rolle oder zählen auch andere Werte? Ist der Vergleich zur Tierwelt angebracht – wo die Schwachen von den Starken verdrängt werden?
Diese und viele andere Gedanken schwirren Julien (Bernhard Georg Rusch), durch den Kopf. Er will seine Überlegungen mit seinem besten Freund Jacques (Florian Stohr) teilen. Dieser hat jedoch zurzeit andere Sorgen als philosophische Grundsatzdiskussion zu führen. Er muss auf irgendeine Art und Weise wieder sein Geld zurückgewinnen, welches Julien bei einem Pyramidenspiel verlor.
Bernhard Georg Rusch und Florian Stohr gelingt es, beide Charaktere sehr überzeugend und perfekt darzustellen.
Im Laufe des Theaterstücks werden immer wieder die Gegensätze zwischen arm und reich zum Ausdruck gebracht. Der zwar wohlhabende, jedoch schüchterne Julien wäre auf Grund seiner Zurückhaltung und Ängstlichkeit nach Darwins Evolutionstheorie wahrscheinlich schon längst „ausgestorben“. Auf Grund der Unterstützung durch seinen viel durchsetzungsstärkeren, wenngleich armen Freund Jacques, konnte er jedoch „überleben“.
Als Kernaussage dieses tollen Schauspiels von Evelyne de la Chenelière könnte man deshalb festhalten: Liebe, Freundschaft und das Füreinander da sein ist viel wichtiger und bedeutender für unser Überleben, als der Besitz von Macht und Geld!
Lena Lutz