Neues von den Jungkritiker_innen

Donnerstag, 29. November 2012


Hier die neuesten Beiträge unserer JungkritikerInnen, wir wünschen viel Spaß beim Lesen.

Gerecht ist was Recht ist

Der Kaufmann von Venedig, zurzeit im Großen Haus des Linzer Landestheaters zu sehen, entführt das Publikum auf eine Reise in eine wichtige Handelsstadt des 17. Jahrhunderts. Doch wie es in manchen fremden Städten hilfreich ist, einen Reiseführer mitzunehmen, braucht man auch bei einigen Theaterstücken gewisse Vorinformation …

Nicht bei allen Geschäften dieser Welt geht es mit (ge-)rechten Dingen zu. Der Kaufmann Antonio hat mit sonderbaren Verträgen zu tun: Um seinem Freund Bassanio die Heirat mit der schönen Portia zu ermöglichen, nimmt Antonio beim jüdischen Kaufmann Shylock einen Kredit auf. Sollte es Antonio nicht gelingen, den Kredit zurückzuzahlen, verlangt der Jude ein Pfund Fleisch des christlichen Kaufmannes Antonio. Der Christ hat jedoch nicht damit gerechnet, dass sein Vermögen, welches sich zurzeit auf hoher See befindet, verschwinden könnte. Als dies tatsächlich eintritt, wittert Shylock seine Chance auf Rache, denn er hat zu Antonio kein besonders gutes Verhältnis. An Gnade denkt er nicht, denn was im Vertrag besiegelt wird, ist Recht und was Recht ist, ist gerecht.
Eine faszinierende Idee, den Bühnenboden mit einer Wasserschicht zu „überfluten“. Großes Lob an das Bühnenbild! Auch an die Schauspielerinnen und Schauspieler; sie haben fantastisch gespielt und man hat sie, obwohl sie ohne Mikrophone sprachen, immer deutlich verstanden. Kurz vor der Pause kam es allerdings zu einer kleinen Komplikation, denn auf einmal läutete einer der Darsteller die Glocke, die eigentlich immer zum Ende der Pause ertönt, und auf der Bühne passierte gar nichts mehr. Für mich machte es den Eindruck, als ob es zu einer nicht eingeplanten Situation gekommen sei, aber es könnte natürlich auch so inszeniert worden sein. Sollte es ein Fehler gewesen sein, dann rettete Gratiano-Darsteller Peter Pertusini gekonnt die Lage.
Was die Botschaft dieses Stückes sein soll, war für mich leider nicht schlüssig. Daher bin ich der Meinung, dass sich Zuseher unbedingt vor dem Besuch von Der Kaufmann von Venedig über die Handlung informieren sollten! Aber in diesem Falle war ich selbst schuld: Hätte ich einen Reiseführer dabeigehabt, hätte ich wahrscheinlich auch den richtigen Weg gefunden.

Lena Steinkellner


Büchners Komödie Leonce und Lena im Eisenhand
„Nehmt euch bei den Händen und macht Liebe jeden Tag - und rettet die Wale!“

Das Lustspiel Leonce und Lena beschreibt eine wunderschöne Liebesgeschichte zweier Erben, welche von ihren Vätern zu Mann und Frau gemacht werden sollen. Sie sind außer sich, wollen sie doch an keinen Fremden verheiratet werden. So laufen beide jeweils mit ihren Bediensteten in Richtung Italien davon. Dort bringt der Zufall Leonce und Lena zusammen, und sie verlieben sich auf der Stelle ineinander. Ebenso Valerio und Lenas Gouvernante, die daraufhin einen Plan austüfteln. Zu viert kehren sie zu König Peter vom Reiche Popo zurück, jedoch als „Automaten“ getarnt. Erst als sie sich vermählen und die Masken abnehmen, erfahren sie von ihren wirklichen Identitäten. Sie fühlen sich betrogen, doch Liebe besiegt bekanntlich jedes Hindernis.


Diese Inszenierung für das Eisenhand von Verena Koch ist eine Kooperation mit der Anton Bruckner Privatuniversität. Sie beginnt mit einem Monolog Leonces, welcher so manchen im Publikum erschrecken lässt. Er brüllt sich seine Seele aus dem Leib, doch was er hier zu viel tut, bügelt er in den späteren Dialogen mit seiner Geliebten wieder aus. Sein Diener Valerio, brillant gespielt von Andreas Niederprüm, bringt durch seine Wortspiele und Zitate aus Büchners Original das Publikum zum Lachen und Leonce auf den Boden der Tatsachen zurück. Hier darf man auch die glaubwürdige Darstellung Peters nicht außer Acht lassen.


Die mit Abstand beste Show, meines Erachtens nach, liefert Julia Wachsmann als Gouvernante und lustigen Tollpatsch. Die Modernisierung des Stücks gibt ihr die Möglichkeit, alle Klischees und Scherze einer alten Tante in diesen eineinhalb Stunden ‚raushängen’ zu lassen. Ihre Prinzessin, Nastasja Winzig, kann mit diesen schauspielerischen Fähigkeiten und der humorvollen Umsetzung zwar nicht mithalten, ist aber eine überzeugend moderne Lena vom Reiche Pipi. Im Gegensatz dazu steht Rosetta, die Tänzerin Leonces und Dienerin des Königs, welche sich abgesehen von Seiner Majestät eher abseits aufhält. Sie versucht zwar, sich zu integrieren, schafft es aber nicht wirklich, in die liebenden Bande hineinzukommen. Ihr tänzerisches und gesangliches Talent lässt etwas zu wünschen übrig, doch das Publikum scheint das nicht gröber zu stören. Es nimmt gerne, was es bekommt.
 Diese Komödie ist voll von wortgetreuen Zitaten Büchners, was ein romantisches Gefühl vermittelt. Nichtsdestotrotz peppt die Modernisierung das ganze etwas auf, was, glaube ich, niemanden so recht stört, nicht einmal die, die auf Altbewährtes setzen. Dennoch gab es ein paar Patzer, zum Beispiel fand ich Zahlen über den Maispreis eher unangebracht, ebenso wie den peinlichen Versuch, ein Publikum mit ein zu beziehen, das sich lieber stillschweigend die Vorstellung angesehen hätte. Im Allgemeinen haben sie es mit dieser versteckten Polit-Satire manchmal etwas zu wörtlich genommen. Diese Fehler kann man jedoch verzeihen.


Den ganzen Abend lang begleitete uns Büchner, seine Gesellschaftskritik und die moderne Ansichtsweise darüber. Zum Bühnenbild kann ich also nur sagen: Auch so kann man Bäume töten!

Marlene Pichler


Kinderträume und Todsünden 

Zu Beginn des Balletts Zaubernacht sieht man zwei Jungen, die zu träumen beginnen und mit der Zeit immer tiefer in die Traumwelt eintauchen. Je länger das andauert, desto mehr Phantasiegestalten tauchen in ihrem Traum auf. Die Phantasie der beiden Kinder scheint weit zu reichen, denn die lebendig gewordenen Personen sind breitgefächert, von Fee bis Schornsteinfeger sind einige mit von der Partie. Die zwei Jungen, getanzt von Matej Pajgert und Jonatan Salgado Romero, bestechen das Publikum mit ihrer Kindlichkeit und der Verspieltheit, die sie an den Tag legen.
Im Kinderzimmer tummeln sich die Traumgestalten - und Anna geht in Die sieben Todsünden den Weg des Geldes, um sich ihren Kleinbürgertraum erfüllen zu können, ein kleines Häuschen am Mississippi in Louisiana. Doch der Weg dorthin ist lang und beschwerlich, denn die sieben Todsünden: Neid, Zorn, Wollust, Faulheit, Stolz, Habsucht und Völlerei, machen ihr das Leben schwer und rauben ihr die Kräfte. Doch die liebe Anna erreicht ihren herbeigesehnten Traum des Häuschens nach sieben langen Jahren, jedoch völlig entkräftet und ausgelaugt, denn sie musste sich den Stärkeren beugen und sich selbst verleugnen, um sich in den Städten in denen sie arbeitet durchzuschlagen. Die sieben Todsünden trifft den momentanen Zeitgeist voll und ganz, man beachte dabei, dass es im Jahre 1933 entstand.
Gesungen wurde die Rolle der Anna von keiner geringeren als der bekannten Pop/ Rock-Ikone Marianne Faithfull, bei der sich das Publikum für die zauberhafte Vorstellung mit Rosen bedankte. Ihr tänzerisches zweites Ich, Anna Stěrbová, tanzte sich wieder einmal mit ihrer Ausdruckskraft, die in ihren Bewegungen liegt, in die Herzen der ZuschauerInnen.
Ein gelungener Ballettabend, nicht wahr, Anna?

Jackie Mc Nichol

Vater vs. Sohn
(Der Geizige)

Was passiert, wenn der Vater und der Sohn sich in dieselbe Frau verlieben? Wenn der Vater dazu überaus geizig ist und dem Sohn eigentlich mit einer alten, jedoch reichen Witwe verheiraten möchte? Und dann auch noch die Tochter, die in den Sekretär ihres Vaters verliebt ist, aber einem anderen versprochen wurde?
Das Stück Der Geizige ist eine etwas komplizierte Komödie, bei der man immer mitdenken sollte, denn sonst verdreht sich der Inhalt solange bis anscheinend nichts mehr Sinn ergibt. Solang man aber brav aufpasst, wird das Stück zu einer außergewöhnlichen Komödie, bei der die SchauspielerInnen nicht nur allein auf der Bühne agieren, sondern, nicht wie bei anderen Stücken, auch hin und wieder mit dem Publikum sprechen und um die Gunst des Publikums buhlen, was den Leuten den einen oder den anderen Lacher entlockt. Etwa, als der Sekretär des Sohnes vom Geizigen verdächtigt wird, etwas gestohlen zu haben und Vasilij Sotke alias Harpagon, der Geizige, seine Hose durchsucht und Klaus Köhler einen entnervten Kommentar nach dem anderen in den Raum wirft.
Gerhard Willert war für die Inszenierung des Stücks verantwortlich und meisterte dies mit Bravour. Alle SchauspielerInnen waren perfekt platziert, der Raum war wunderschön als Wohnzimmer eines reichen, aber geizigen Herren dekoriert. Sogar gewisse Extras wie die verpackten Möbel und die drehbaren Wände fehlten nicht.
Jede Schauspielerin und jeder Schauspieler war perfekt für seine Rolle und ging voll in ihr auf. Besonders Thomas Bammer alias Maître Jacques, der Koch und Kutscher von Harpagon, der zwischen den verschiedenen Szenen hin und her ging und alle amüsierte. Aber auch die verschiedenen Liebespaare schafften es, ihre Liebe überzeugend darzustellen.

Anna Theresa Weiß