Über High-Heels und den inneren Mann

Donnerstag, 12. November 2015


Am 20. November 2015 feiert das Musical Hedwig and the Angry Inch Premiere in der BlackBox, Musiktheater am Volksgarten. Nach einer Probe trafen wir die beiden Darsteller Riccardo Greco und Ariana Schirasi-Fard zu einem Interview.

I: Was ist das besondere an der Show Hedwig and the Angry Inch?

Ari: Dass ich einen Mann spiele! Ich habe mal ein Mädchen gespielt, das gerne ein Junge wäre, aber ich habe noch nie einen Mann gespielt. Und: ich spiele Gitarre! Das hab ich auch in meinem Leben noch nicht gemacht. Das war meine persönliche Challenge über den Sommer. Regisseur Johannes von Matuschka hat vorgeschlagen, dass ich Teil der Band bin und Gitarre spiele. Das Gute ist, dass meistens die Band mitspielt und man mich dann nicht so stark raus hört. Schön langsam habe ich auch richtig viel Spaß dabei und keine Angst mehr.

Riccardo: Das Besondere an der Show für mich ist Transgender zu spielen, denn ich bin weder Weiblein noch Männlein. Man trägt Frauenklamotten, aber fühlt sich nicht als Mann und auch nicht als Frau. Es war schon schwierig sich in die Lage von Hedwig, also in Hansels Lage, hineinzuversetzen. Dass die OP zur Frau missglückt ist und dieser „Angry Inch“ übriggeblieben ist – das ist etwas ganz Furchtbares, was einen Menschen prägt. Und das macht diese Figur so faszinierend. Ihr ist so viel passiert in ihrem noch jungen Leben…

I: Wie alt ist Hedwig?
R: Das weiß man nicht so genau. Sie verschweigt ihr Alter und feiert seit Jahren ihren 28. Geburtstag.

A: Wie sagte Coco Chanel noch gleich? In den Teens ist man süß, in den Twens sexy, in den 30ern unwiderstehlich und älter als 39 wird keine Frau!

I: Aber zurück zum eigentlichen Thema …
R: Hedwig schlüpft auch in die Rolle ihrer Mutter, in die Rolle ihres ersten Mannes, ihrer ersten großen Liebe. Das sind so viele Ebenen, die es zu bespielen gilt. Gerade emotional ist das eine große Herausforderung für mich.

A: Was für uns beide recht spannend ist, ist dass diese so genannte „4. Wand“ offen ist. Wir tragen nicht ein Stück vor, das in einem geschlossenen Raum spielt. Wir interagieren sehr viel mit dem Publikum und sind auch sehr stark auf die Reaktionen der Leute angewiesen. Das kann zu einer absolut euphorischen geilen Stimmung führen, kann aber auch richtig anstrengend und schwierig sein. Aber das macht es sehr spannend und jede Vorstellung ist somit einzigartig.

R: Wir müssen uns auch nicht immer an den Text halten. Das Stück ist so konzipiert. Man weiß halt nie, was das Publikum einem gibt.

I: Es ist Johannes von Matuschkas erstes Musical. Wie macht er sich denn?
A: Es ist auch für mich das erste Mal, dass ich mit einem Regisseur vom Sprechtheater zusammenarbeite. Ich finde er macht sich sehr gut, aber das Stück bietet sich auch wahnsinnig an. Es hat nicht so viele klassische Musical-Fallen, in die jemand der mit dem Genre nicht so vertraut ist, reinkippen könnte.

I: Klingt gefährlich. Bitte nenn mir doch mal so eine Falle?
A: Den Text zu tanzen und zu zeigen, was man gerade erzählt. Sehr illustrierend zum Beispiel auch Sachen zu doppeln mit der Musik. Das wird einfach langweilig.

I: Ist es schwierig für einen Musical-Darsteller auf „Rockröhre“ umzuschalten?
R: Es ist tatsächlich nicht das, was ich gelernt habe. Ich wurde als Musical-Darsteller ausgebildet und da lernt man nun mal nicht Rock zu singen. Rocksänger können ein ganzes Konzert durchbrüllen und haben ihre Stimme immer noch. Aber beim Musical brauchst du auch die schönen langen Töne, Balladen, etc. Meine Stimme hat in der ersten Woche sofort mal gelitten. Ich hab mich da so reingeworfen ohne Rücksicht auf Verluste und das hat sie mir sofort heimgezahlt. Jetzt so langsam groovt es sich aber ein. Das braucht einfach Zeit.

A: Meine Stimme ist für Rock ganz gut geeignet. Aber bei Hedwig ist es so, dass jeder Song einen anderen Sound hat. Du hast einen sehr lyrischen Song, dann wieder eine krasse Rocknummer, bei der geschrien wird. Hier ist es wichtig die Grenzen auszuloten. Bis wohin geht’s und ab wann sagt die Stimme „Hallo?! Was ist denn mit dir los?“. Die Stimme ist ein Instrument und man kann sich auch nicht mit einer Geige in den strömenden Regen stellen und erwarten, dass das Instrument nicht kaputt geht.

I: Hattest du Vorbilder für die Rolle, an denen du dich orientiert hast? Im Sinne von Körpersprache, Gestik, Mimik …
R: Ich hab mir als erstes den Film angeschaut um einen Eindruck vom Stück zu bekommen. Dann bekam ich ein Video von der Aufführung am Broadway mit John Cameron Mitchell, der das Stück geschrieben hat und die erste Hedwig war. Zu dem kam ich immer wieder zurück um mir Inspiration zu holen. Er hat diese Rolle zehn Jahre lang entwickelt. Der ist Hedwig! In den Proben kam dann meine eigene Hedwig dazu und jetzt sind sie gemischt und es wird immer mehr meine. Diese Show verlangt irrsinnig viel von mir. Sich auf diese Art und Weise verausgaben zu können ist toll. Das habe ich bisher eigentlich noch nie gehabt. Das ist ein Geschenk.

A: Ich habe keine Celebrity, an der ich mich orientiere. Ich habe aber gern und viel meine Kollegen in ihrer Körperlichkeit beobachtet. Meine Herangehensweise war auch zu sagen „Finde den Mann in dir“. Das ist auch eine Aussage des Stückes: du hast beide Geschlechter in dir und du musst es nur finden. Jeder Mann hat eine weibliche Seite und jede Frau hat eine männliche Seite.
R: Kleidung hilft extrem. Deshalb habe ich auch von Tag 1 an bei den Proben Highheels getragen und dann gleich mal drei Paar kaputt gemacht, weil ich mich durch die Absätze nicht bremsen ließ.

Stückinfo & Termine
Hedwig FB-Seite